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Anmerkungen zum Werk von Franz Büchler

Das dramatische Werk

In Oberkirch entstand 1936 das erste erhaltene Drama "August der Starke", die Tragödie des großen, genialen Herrschers, der an seiner leidenschaftlichen Liebe zu Anna, von der er zunächst nicht weiß, daß sie seine leibliche Tochter ist, scheitert. Die Sprache ist phantasiemächtig, in den Bann ziehend. Aber schon in diesem ersten Drama verwandelt sich die Herrscherkrone in eine Dornenkrone, die Macht zuletzt in Ohnmacht. Dies wurde ein immer neu gestaltetes Motiv in den Werken Franz Büchlers.

Im nächsten Drama "Herzog Bernhard" (1938), das vor allem auf badisch-elsässischem Boden spielt, handelt einer jener Büchlerschen "Helden", die eigentlich "Gezeichnete" sind. Ehe er siegen kann, wird er vom Tod eingeholt; er ist, wie P. Celan in seiner Büchner-Rede von "Danton" sagt, nur vom Tod her verstehbar.

In "Sunanda" (1942), der dritten großen Tragödie Büchlers, der letzten während der Nazizeit in Buchform erschienenen, geht es - wie in Kleists "Penthesilea" - um das Scheitern der großen, bedingungslos liebenden Frau in der Konfrontation mit dem ihr nicht ganz ebenbürtigen Mann. Die absolute Liebe, ihr Gelingen oder Scheitern, ist eines der Kernthemen, die zu gestalten Büchler in Dramen und Erzählungen bis hin zu seinem letzten Roman nie müde wurde.

Es folgte 1944 eine im alemannischen Mythos verwurzelte Familien-Tragödie, die "Harlungen" (nicht veröffentlicht), die wieder in der Landschaft des Oberrheins spielt. Durch diese Tragödie geriet Büchler nach eigener Aussage in immer tiefere Schichten tragischer Verflochtenheit, die ihn in eine langanhaltende Krankheit trieb. Die beiden zwillingshaften Brüder müssen zuletzt nicht nur die Enthüllung verschiedener Väter hinnehmen, sondern darüber hinaus das von ihnen beiden geliebte Mädchen als ihre Halbschwester erkennen.

Mit "Theseus" - (In verknappter Form wieder eine Familientragödie: Theseus, der wie Hamlet in die Welt, "sie einzurichten" kam, muß erkennen, daß diese durch schuldhafte Verstrickung in der eigenen Familie aus den Fugen gerät. -Ebenfalls nicht veröffentlicht.) - erneuerte Büchler 1945 die antike Tragödie, deren Form für ihn noch immer gültig das Wesen des Dramas und des Menschen in der Welt ausdrückte. So ist es zu verstehen, daß er nach 1945 an dieser klassischen Form festhielt, davon ausgehend, daß die Beweggründe für menschliche Verstrickungen nicht durch politisches Zeitgeschehen veränderbar seien. (Hier könnte der Grund für die zum Teil negative Kritik an den sehr schönen Aufführungen des Stückes in Baden-Baden 1953 liegen. Die Uraufführung hatte 1952 in Heidelberg großen Erfolg).

Ebenfalls nicht im Druck erschienen ist die Tragödie "Karl und Richardis" (1946), vielleicht das verhaltenste, innigste Kammer-Stück, wieder auf heimatlichem Boden, in Andlau im Elsaß spielend. Nicht das politische Geschehen um Karl III. steht im Vordergrund, sondern, wie immer bei Büchler, das Seelendrama, hier zwischen Kaiser Karl, seiner Frau Richardis, die sich ihm versagt, und ihrer jungen Nichte Rotraud, die sich ihm - stellvertretend, aus Liebe zu Richardis - hingibt. Auch hier geht es um die Verwirklichung der Liebe in religiös-mystischer Bedeutung.

Das letzte der nicht gedruckten Dramen, "Die Geschlachteten" (1947) ist ein reines Männerstück und handelt vom Untergang einer Schar makkabäischer Juden, die sich aus ihrem Glauben heraus dem Kampf am Sabbat widersetzen, sich "hinschlachten" lassen, das religiöse Gebot höher achtend als den Kampf ums Überleben und die weltliche Macht. Eigentlich ein Drama zwischen Menschen und Gott.

In "Ananias" (1948), dem letzten Drama im klassischen Stil (gedruckt 1953 im Hünenburg-Verlag, Stuttgart), geht es in der Gestaltung eines Stoffes aus der Apostelgeschichte um die Utopie eines christlich-sozialistischen Kommunismus.

Mit dem Drama "Balk" (1952), einer Arbeitertragödie, tritt nicht nur eine neue, sparsamere, nüchterner gewordene Sprache in Erscheinung, die Personen dieser neuen Dramen sind nicht mehr Herrschergestalten aus geschichtlicher oder mythischer Vorzeit, sondern "Gezeichnete" unserer Zeit. Auch in der Form zeigt sich ein Neubeginn; so bilden im "Balk" statt des antiken Chors moderne Sprecher die Gegenstimmen zum Geschehen. Im Vordergrund geht es hier um die Überwindung der Klassengegensätze, um Arbeiter- und Fabrikanten-Milieu, im Tiefengrund aber geht es um Sein oder Schein der Liebe, um eine neue, sehr nüchterne, weil illusionslose Qualität solcher Liebe. Büchler hat darüber in dem Essay "Über den neuen Menschen", den er diesem Drama beifügte, Wesentliches gesagt.

In den drei "Dramen der Zeit" (erschienen 1960) steht jeweils eine Frau im Mittelpunkt, worauf die Titel: "Ree", "Wina", und "Iris" hinweisen. Hier wird das dramatische Geschehen durch Chöre, Vorbühnen oder unsichtbare Stimmen gespiegelt und ergänzt. "Ree" - die Frau, die das Schicksal der Spaltung in Ost- und West-Berlin als Bewußtseinsspaltung erfahren muß, erleidet den Tod fast im gleichen Augenblick, in dem ihre Spaltung durch die Liebe überwunden wird. "Wina" - eine vom Schicksal der Nachkriegszeit durch die Liebe zu zwei Männern gespaltene Frau, die die Unfähigkeit beider Männer, Liebe in einer neuen Form der Zugehörigkeit zu leben, nur durch ihren Opfertod zu lösen vermag. "Iris" - ist eine Frau, die in dem magischen Kräftespiel zwischen dem Mann, den sie liebt, der visionären Gestalt ihrer toten Freundin und einem brutalen politischen Machthaber zerbricht.

In den drei "Einaktern", die zusammen mit dem "Oberst" in dem Sammelband "Stückwerk" 1972 im Deutschen Theaterverlag erschienen sind, geht es bei vordergründig satirischer Zeitkritik im Grunde um die Gestaltung eines veränderten Menschenbildes.

Der "Oberst" - in Prosa geschrieben - ist das letzte der vierzehn großen Dramen Büchlers. Dieser Oberst (er hat im Gegensatz zu den übrigen Figuren des Dramas keinen Eigennamen) ist eine durch den scheinbaren Verlust der geliebten Frau ins Unmenschliche pervertierte schizoide Persönlichkeit, die bei Flugübungen mit neuentwickelten Kampfflugzeugen wissentlich das Leben junger Menschen aufs Spiel setzt - zuletzt trifft es den eigenen Sohn. Das Besondere dieser Form ist hier, daß diese tödliche Realität auf der Bühne immer wieder transzendiert wird, sich öffnet in einen "raumlosen Raum", in dem sich für Augenblicke die reinen Gestalten begegnen und, einander erkennend, den tragischen Abgrund überwinden. Der tote Sohn führt die Liebenden wieder zusammen zu einem Neubeginn in einer heileren Welt. So schließt sich der Kreis zum ersten Drama Büchlers, an dessen Ende ein Vater sein totes Kind im Arm hält - und weiß,: es "schläft. Wir müssen wachen."

Zur Prosa

Joachim Güther zu "Schizoid", Erzählungen und Texte, 1973 in "Neue Deutsche Hefte" Nr. 146/Heft 2, 1975:

Der Band mit dem vielleicht eher abschreckenden als anziehenden Titel "Schizoid" faßt zum erstenmal den Erzähler Franz Büchler zusammen. ... Ein dunkler, ein hermetischer Dichter und Epiker, aber kein experimenteller oder von außen verfremdeter. ...

Die erste Erzählung des Bandes, "Der Tote", ist ein fast spiritistisches Stück von Lebensbeschreibung nach dem Tode, das sich bis in die feinsten Einzelheiten hinein als Wirklichkeitsnachzeichnung lesen läßt, obwohl doch jedermann weiß, daß über dergleichen Dinge keine sicheren Auskünfte gegeben werden können. Was Büchler hier gelungen ist, ist vielleicht die bisher exakteste und glaubwürdigste Beschreibung vom "Überleben des Todes", von "Metapsychologie der mystischen Erfahrung", die es in deutscher Erzählkunst gibt. ...

Gleichwohl würde man den Autor falsch verstehen, wenn man ihn fest in derartige Sujets oder auch nur an deren gedanklichen Hintergrund binden wollte. Büchler ist zwar ein Mystiker im weitesten Sinn, aber keiner, der sich am Jenseits menschlicher Erfahrungsmöglichkeiten auflädt, vielmehr mit einer geradezu verbissenen Diskretion nur im Konfinium von Leben und Tod angesiedelt hat. ... Wenn der Band "Schizoid" heißt, so will dieser Gesamttitel, der in keinem Einzelstück wiederkehrt, ohne falsche Assoziation von Schizophrenie oder dergleichen verstanden sein. Er spielt nur auf das zwangsläufige existentielle und moralische Zerbrechen der Einzelperson an, sobald sie aus ihrer immer wieder von Büchler denunzierten Enge (ein Schlüsselwort bei ihm, ebenso wie sein Gegensatz die Öffnung ins "Weite") den Ausweg in eine Leben und Tod integrierende Freiheit sucht. Man kann Grenzerfahrungen dieser Art theoretisch umspielen, darüber - im Sinne von Jaspers oder Heidegger - philosophieren; etwas anderes ist jedoch ihre epische Vergegenwärtigung, die nur mit einem Höchstmaß an Ausgesetztheit, an unmittelbarer personaler Lebensgefährdung zu bestehen ist. Die Sprache fügt sich diesen Intentionen oder besser Zwangsläufigkeiten des Autors, der ebenso wie seine Personen in den Erzählungen "gar nicht anders kann". Eine blockige, zwischen Sinnlichkeit und Abstraktion nicht einfach die Mitte haltende, sondern diesen Gegensatz aufhebende Sprache von hohem poetischem Adel. Geschwätz oder Konversation fehlen bei diesem Autor völlig, seine Gefahren sind eher allzu starke, ins Asyndetische tendierende Verknappungen, damit zusammenhängend eine Verdunklung, die bisweilen wie Gewölk über der Landschaft seiner Dichtungen steht. Doch das will genommen sein, wie es ist, man kann sich seine Autoren nicht nach eigenen Wünschen zurechtstutzen. Franz Büchler gehört zu den Einsamen der Literatur dieser Jahre. ...

Wolfram Groddeck zu "Der Niemandsweg oder die Geeinten", Roman, 1975 im "Badischen Tagblatt", 31.7.76:

Die allem Gewohnten widerstrebende Diktion dieser Prosa mag den Leser zunächst befremden, ja schockieren. Dies nimmt Franz Büchler bewußt inkauf. Seine Absicht ist es, die tiefgreifenden Widersprüche aufzudecken, die unsere Existenz immer mehr zu chaotisieren drohen. In einer verwirrenden Folge läßt er Geschehnisse, Handlungen, Gespräche unmittelbar ineinander übergehen. ...

Hier berührt der Verfasser Vorgänge, die sich der Ratio entziehen. Er läßt die (räumlich von einander entfernten) Liebenden im traumlosen Schlaf "geeint" sein. Hört doch unsere Existenz nicht im Schlaf einfach auf, so etwa läßt sich diese Utopie rechtfertigen, und eine ganze Welt, eben die Welt des Schlafes oder, noch umfassender, die Welt unseres Unbewußten überhaupt braucht deshalb nicht unwirklich zu sein, weil sie sich unserer Sinneswahrnehmung verschließt. ...

Ob die beiden (Liebenden) sich schließlich auch im Räumlich-Zeitlichen finden werden, läßt der Autor offen. Lenkt seine Darstellung immer wieder in menschliche Abgründe, so endet sie nicht in Resignation. ... Die Menschen, so heißt es in einem abschließenden Gespräch, sind alle aus Nacht und Licht gemischt. Gewiß wird durch eine solche Einsicht noch nicht unmittelbar etwas geändert, aber es ist der erste Widerstand, der den Spaltungstendenzen der Zeit entgegengesetzt wird.

André Muller (Universität Caen) aus dem Essay über den utopischen Roman "Der liegende Adler",1990:

Der liegende Adler ist das Symbol (S. 77) der Familie Melanies und ihres Bruders Lutz, der Hauptgestalt, um die sich alles dreht. Keinen fliegenden, sondern einen liegenden Adler hat Lutz im Wappen, was da heißt Abstandnehmen von Höhenflug und überspannten Forderungen, Eingebundensein ins Irdische, Fühlung mit der Wirklichkeit. Nicht Traum ist Lutzens Sache, sondern langsames Sich-vorwärts-Tasten. ...

Lutz fühlt sich dazu berufen, "für das Ganze wach zu sein" (S. 154). Das Ganze, d.h. die vier Paare, die sich um ihn, der ihrer aller "Meister" (S.141) ist, geschart haben, und in allgemeinerem Sinne die Bauern- und Bewohnerschaften, die sich in dieser oberrheinischen, von Vogesen und Schwarzwald abgegrenzten Ebene, der Errichtung eines Kernkraftwerkes widersetzen. ...

Im "Liegenden Adler" geht es vor allem um Liebe und Freundschaft, d.h. um die Problematik der zu einem Paar zusammenfindenden Menschen....

Franz Büchlers Begriffswelt ist nicht vorgegeben, sondern geht aus dem Gegenstand des Romans hervor, der darin besteht, zu fragen, wie und warum die Einung bzw. Einigung von Mann und Frau zustande kommt. ...

Die Prägung "Zweieinigkeit" (S.107) macht darauf aufmerksam, daß das Du im Mittelpunkt steht. Das Paar und insbesondere die "Urpaare" - deren es im Roman zwei gibt: ein deutsches und ein französisches - werden uns als Hypostase, als Vergegenständlichung eines reinen Strebens vorgestellt. ...

Im "Herzen" und sonst nirgendwo offenbart sich das Wahre. Im Herzen begegnen sich auch, so heißt es im sechzehnten Kapitel, "Gott und Natur" (S.143), doch soll im Kampf um die Einung von Ich un Du Gott grundsätzlich "aus dem Spiel" gelassen werden. ...

Niemandem kann verwehrt werden, sich in seiner "Sehnsucht nach Kommunikation" in "absoluter Weise" mit seinesgleichen zu verbinden (S.19). Es ist sogar die Pflicht des einzelnen, sich in einer Welt des Untergangs, des sichtbaren Verfalls, für eine "unsichtbare Auferstehung" bereit zu halten (S.23). ... Es soll, ausgehend von einer gewissen in der heutigen Zeit mehr denn je feststellbaren Misere des Menschen, die Notwendigkeit einer wahrhaften Paarbildung dargelegt werden, die jenseits der bürgerlichen Normen zu echter Zweieinigkeit gelangt. ...

Innerhalb eines Lernprozesses, den Aussagen und Bekenntnisse immer wieder ankurbeln, wird die Problematik der einzelnen Figuren bzw. Paare aufgezeigt und über das Paar-Sein als solches einem Endstadium zugeführt, das der Losung "Freiheit von der Angst vor der Freiheit" (S.135) unterstellt ist. ...

Das von Lutz geleitete Experiment ist - dem gruppendynamischen Training weitläufig verwandt - als Versuch aufzufassen, eine neue Art von gesellschaftlicher Beziehung einzuleiten, so wie sie etwa zwischen musizierenden Menschen besteht, die, vom Strom der Klänge getragen, einander zuleben. Vorausgesetzt wird hierbei allerdings - und dies gibt dem Unternehmen eine religiöse Dimension - ein "Wissen um die Herkunft aus der galaktischen Welt" (S.116). ...

Die inzestuöse Beziehung Lutzens und Melanies - die nicht Inzucht bedeutet, denn die Welt, so heißt es auf Seite 115, wird für sie "ohne ein Weiterleben" enden - ist offensichtlich Franz Büchlers Antwort auf die Zerfallserscheinungen, die in der heutigen Gesellschaft das Paar-Sein belasten. ... Wir haben es nicht mit einer (...) Befürwortung des Inzestes zu tun. ...

Der "Liegende Adler" ist ein zuversichtlicher Roman, denn er vertraut der Macht der Worte, insofern sie dazu verwendet werden, sich schrittweise zu neuen Lösungen durchzuringen. ...

Franz Büchler: Schlußverse der Tragödie "Balk"

 

Das weiße Herz des Feuers
lischt nie im Herz des Leidens. Es brennt
zum ewigen Mahl der Gottheit.
Hoch an der blauen Mauer zieht
nur ab und zu von einem Schicksal
der goldne Fadenrauch vorbei
und schwindet. eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee Über der Gottheit Stirn läuft spiegelnd
Wolke goldner Wehmut
und verweht. Dann glänzt
ihr Antlitz wieder rein.
Es ruht die Ewige
inmitten ihrer ruhelosen Werke
und schaut gelassen zu
dem Formenspiel der Welt,
Atom und Stern und Hirn und Samen
gleiten aus ihrer Hand.
Sie ruht.
Im Vorgemach.
wechselt der Anbetung bemühtes Treiben.
Uns ist gegeben,
auf Erden Gott zu dienen
durch Gestalt.